Utopie [zu griechisch ou »nicht« und tópos »Ort«, also eigentlich »(das) Nirgendwo«] die, -/...ˈpi|en, in Anlehnung an den 1516 erschienenen Roman »Utopia« von T. More (utopische Literatur) benannte Art und Weise des Denkens, die seitdem unterschiedlich definiert und in ihrer Bedeutung unterschiedlich bewertet wurde. In der

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Sozialwissenschaftliche Modelle des Utopiebegriffs

Im sozialwissenschaftlichen Diskurs sind v. a. der intentionale, der totalitäre und der klassische Utopiebegriff traditionsbildend geworden. Die intentionale Konzeption geht in ihren Ursprüngen auf G. Landauer zurück. In seiner 1905 erschienenen Studie »Revolution« interpretierte er die Utopie als den entscheidenden sozialen Sprengsatz der revolutionären Umbrüche in Europa seit dem 16. Jahrhundert. Deren Mechanismen suchte er dadurch zu kennzeichnen, dass die gesellschaftliche Entwicklung immer zwischen zwei »Zuständen relativer Stabilität« pendelt. Diese Ordnungsgefüge, die

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Zur historischen Genese der modernen Utopie

Die moderne Utopie speist sich aus Quellen der antiken und der mittelalterlichen Welt, aber sie ist nicht mit diesen identisch. Zwar kannte die Antike bereits zwei Varianten der Verhältnisses der Menschen zu der sie umgebenden Natur, die auch für den Utopiediskurs seit der frühen Neuzeit konstitutiv waren. Der »archistische«, d. h. herrschaftsbezogene Ansatz diagnostizierte in den ungebändigten Naturgewalten den entscheidenden »Feind« des Menschengeschlechts, dem nur durch staatlich erzwungene Disziplin ein von Menschen kontrollierter Raum des harmonischen Zusammenlebens abgerungen werden konnte. Die

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Kontexte und Gestalten utopischen Denkens

Die klassischen Utopien der Neuzeit riskieren zwar den Traditionsbruch mit der Herkunftswelt, in der sie entstanden sind, um eine Alternative zu deren gesellschaftlichen Fehlentwicklungen aufzeigen zu können. Gleichwohl lassen utopische Entwürfe sich nicht immer nur mit idealen Gemeinwesen oder zukünftigen Schreckensszenarien gleichsetzen und ausschließlich unter diesem Aspekt betrachten. Ebenso wichtig ist der soziopolitische Anlass, der sie hervorgebracht hat. Die Utopien der Renaissance und der Reformation bei More, T. Campanella, J. V. Andreä und Gerrard Winstanley (* 1609, † 1652) reagieren auf die extreme Polarisierung

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Utopien als Lernprozesse

Die klassische Utopie reagiert nicht nur auf die ihr von außen vorgegebenen Rahmenbedingungen; sie versucht diese zugleich durch Ausschöpfung ihrer Potenziale zu erweitern. Darüber hinaus ist der utopische Diskurs durch alternatives Denken und durch seine Lernfähigkeit geprägt. Zu Recht ist oft darauf hingewiesen worden, dass die autoritäre Sozialutopie in der Nachfolge von More und Campanella die Welt in ein riesiges Kloster verwandelt, das seiner antiindividualistischen Stoßrichtung auf allen Ebenen der Gesellschaft Geltung verschafft: Militärische Disziplin und rationalistische Planung reglementieren den

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Wirkungsgeschichte utopischen Denkens

Der klassische Utopiediskurs ist historisch von weitreichender Wirkung gewesen. Utopisches Denken fand seinen Ausdruck in einer Reihe von sozialen Institutionen und Bewegungen, z. B. im 16. Jahrhundert im Täuferreich von Münster und im 17./18. Jahrhundert im Jesuitenstaat von Paraguay. Auch die Zielsetzungen der Französischen Revolution waren durch »utopische« Züge bestimmt. Utopien wirkten sich sowohl auf die Struktur der westlichen Gesellschaften als auch auf die Herrschaftsordnungen des sowjetischen Typs aus. In Campanellas »Sonnenstaat« spielen Zeitmessgeräte und Wetterfahnen eine große Rolle. Sie

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Zukunftsperspektiven utopischen Denkens

Spätestens seit dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme in Europa wird – z. B. von E. Nolte und J. Fest – die These vom Ende des utopischen Denkens vertreten, da dieses, notwendig mit Revolution und totalitärer Herrschaft verbunden, sich mit den Prinzipien einer offenen liberalen Gesellschaft als nicht vereinbar erwiesen habe. Diese These ist zutreffend, wenn man sie auf die autoritäre Linie des klassischen Utopiediskurses einschränkt. Die Gesellschaftsordnungen des sowjetischen Typs haben alle Realisierungsbedingungen ihrer eigenen Utopie erfüllt: von der

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Werke

Weiterführende Literatur:

Utopieforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeitlichen Utopie, hg. v. W. Vosskamp, 3 Bde. (Neuausgabe 1985);
Utopie. Begriff u. Phänomen des Utopischen, hg. v. A. Neusüss (31986);
R. Günther
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Quellenangabe
Brockhaus, Utopie. http://brockhaus.at/ecs/enzy/article/utopie